Atlantiküberquerung von West nach Ost

17. 5. 2021, 8:00 (local time), N 32°22.4′ W 64°40.3′, Tag 1
Pünktlich um 8:00 morgens bin ich bei den Customs auf Ordonance Island zum Ausklarieren. Mein Versuch, das bereits am Vorabend zu erledigen, ist gescheitert. Nach dem Ausklarieren muss man die Insel innerhalb einer Stunde verlassen – so was hab ich sonst noch nirgends erlebt. Üblich sind 24h. Auf den französischen Inseln kann man die Ausklarierung ja selber machen, und einfach das gewünschte Abreisedatum eintragen. Naja…
9:00 Das Schiff ist klar zum Auslaufen. Wir melden uns bei Bermuda Radio und lichten den Anker. Die Funkleitstelle gibt uns grünes Licht für die Ausfahrt, und so passieren wir um 9:30 den Town Cut Channel durch den wir vor 10 Tagen nach St. George’s Harbour gelangt sind.

Um 10:00 setzen wir die Segel und gehen auf einen Ost Kurs. Der Wind weht mit ca. 15kn aus 60°, ein Strom setzt mit fast 2 kn Richtung SSW, unter uns läuft eine lange Dünung mit 2 – 3m Welle durch, die wahrscheinlich von der abziehenden Front stammt. Ca. 1800 Seemeilen zu den Azoren liegen vor uns. Gegen 16:00 Uhr haben wir die ersten 30 geschafft …
Leider dreht der Wind immer mehr auf Ost, sodass wir gegen an kreuzen müssen – ein mühsames Unterfangen bei der hohen See. Gegen Mitternacht erkennt Evelyn die Lichter eines weit entfernten Schiffes, wir haben aber weder ein AIS Signal noch sehen wir etwas auf dem Radar – scheint also weit weg zu sein.

18. 5. 2021, 00:00 (UTC), N 32°11.4′ W 63°38.3′, Tag 2
Der Wind dreht weiter auf Ost, wir segeln Kurs Nord, 315°.
04:50 (UTC), Wir sind wieder auf Ostkurs. Wind mit 10kn aus 30-60°.
09:15 (UTC), N 32°25.4′ W 63°28.4′, Sonnenaufgang
18:00 (UTC), N 32°34′ W 62°58′, Segel rauf, Segel runter, Motor ein, Motor aus, der schwache Wind dreht und tut wie es ihm passt – nervig!

19. 5. 2021, 00:00 Uhr (UTC = Lokalzeit + 3h), N 32°34.9′ W 62°46.1′, Tag 3
Es sind immer noch 1700 Seemeilen zum Ziel. In 2 Tagen haben wir wegen der schwachen oder aus der falschen Richtung kommender Winde nur 100 nm in RIchtung unseres Ziels geschafft. Das ist zermürbend, weil man trotz der vielen Segelmanöver und der vielen gesegelten Meilen kaum Strecke macht. Wir geben auf, und starten die Maschine.

9:30 (UTC), N 32°46′ W 62°08′ Ein Gewitter, dessen Blitze wir schon in der Nacht aus der Ferne sehen konnten bringt endlich Wind. Mit dem 2. Reff im Hauptsegel und gereffter Genua machen wir 6-7kn. 3 Stunden später dreht der Wind wieder auf Ost und wird schwächer. Wieder kreuzen wir gegen den Wind an.

Die Fischerei ist wenig erfolgreich. Wir fangen nur Sargasso Gras. Nachts hat sich ein kleiner fliegender Fisch auf unser Deck verirrt. Davon werden wir aber nicht satt …

20. 5. 2021, 06:00 (UTC), N 32°59′ W 60°39,2′, Tag 4
Heute haben wir endlich vernünftigen Wind aus Nord mit 8 – 12kn. Noch immer 1590 Seemeilen bis zu unserem Zielhafen. Am Vormittag hole ich mir ein Wetterupdate über unser IridiumGo. Die Situation hat sich ziemlich geändert. Wir entschließen uns, von den aus den verschiedenen Wettermodellen berechneten Routen eine der südlichen Varianten zu nehmen. Die nördlichen prognostizieren Temperaturen von teilweise nur noch 5°C (brrrr). Hoffen wir, dass wir damit Glück haben. Ab Mittag setzt die angekündigte Flaute ein, die wir mittels Motor durchfahren müssen, um ab morgen hoffentlich wieder guten Wind zu bekommen. Wir haben auf den Bermudas nochmals vollgetankt und unsere Kanister gefüllt, obwohl der Diesel wegen des 100% Importzolls US$ 1.85 kostet. Wenn wir das gewusst hätten, hätten wir die Kanister in St. Martin gefüllt. Jedenfalls sind wir gut mit Diesel ausgestattet, um ein paar Flauten zu überbrücken.
Das Wetter ist heute wechselhaft. Evelyn hat schon Pullover und Jogginghose an, die Temperatur schwankt zwischen 17 und 21° Celsius. Das Wasser hätte noch 23°, baden macht uns aber nicht mehr an.

Kurz nach Mittag begleitet uns eine Schule mit einem Dutzend oder mehr Delphinen, darunter auch einige Jungtiere. Es ist immer ein Erlebnis, die Tiere beim Schwimmen um die Bootsrümpfe zu beobachten.
WIr vertreiben uns die Zeit mit Lesen, Spielen, Fotos bearbeiten, Blog schreiben, Haushalten, Schlafen und ab und zu einen Film sehen. Wir haben uns gut mit Vorräten eingedeckt, und gönnen uns zum Frühstück Müsli mit frischem Obst. Evelyn kocht einmal täglich was Feines. Die gemeinsamen Mahlzeiten sind die Highlights der Tage. Wir haben uns entschieden beim Segeln keinen Alkohol zu trinken, also gibt es zum Sundowner einen Fruchtsaft oder einen Virgin Mojito ohne Rum.

21. 5. 2021, 00:00 (UTC), N 33°34′ W 59°23′, Tag 5
Leider stecken wir in einer Flaute mit leichtem Gegenwind und müssen mit der Maschine fahren. Wir kämpfen dabei gegen eine hohe lange Dünung.
Gegen 2:00 Uhr morgens sehen wir Lichter eines Schiffes am Horizont. Ein weiteres Schiff begegnet uns am Nachmittag gegen 16:00. Wir funken die „Cap Quebec“ an und fragen nach dem Ziel. Das Schiff läuft zur Westküste der USA. Wir wünschen eine gute Reise.

Seit Mittag haben wir endlich guten Wind und kommen mit ca. 7 kn gut voran. So wäre das in Ordnung, nur die See könnte ruhiger sein.
Die Nacht wird mühsam, der Wind dreht immer mehr in unsere Kursrichtung, die Wellen sind hoch. Die alte Dünung ergibt mit den Wellen aus dem starken Wind eine unangenehme Kreuzsee, die unser Boot um alle Achsen rollen und gieren lässt. Evelyn fühlt sich nicht ganz wohl. Nach einigen Squalls lassen wir das 2. Reff im Großsegel und die Genua halb eingerollt, damit wir zur Ruhe kommen. Es geht dafür nur noch mit 3 -5 kn vorwärts.

22. 5. 2021, 00:00 (UTC), N 34°30,5′ W 57°25′, Tag 6, noch 1500 nm zum Ziel
Es ist holprig, unruhige See und immer wieder Squalls mit bis zu 30kn Wind.

Kurz vor 9:00 Uhr (UTC) geht die Sonne mit einem prächtigen Farbenspiel auf. Die See ist immer noch sehr unruhig. Die Gischt spritzt übers ganze Boot und produziert eine Salzkruste, wenn das Wasser trocknet. Der Wind hat gedreht. Wir segeln jetzt hart am Wind, um den Kurs halten zu können. Der Wind wird schwächer. Bei 22 kn SWG kann ich das 2. Reff rausnehmen.

Den ganzen Tag über beobachten wir viele portugiesischen Galeeren. Die quallenartigen Polypen scheinen hier eine richtige Pest zu sein. Man hat den Eindruck alle 5m eine zu sehen. Ob das normal ist?
Abends habe ich Probleme die GRIB Files für PredictWind übers IridiumGO downzuloaden. Ich vertage das Wetterupdate auf morgen.

23. 5. 2021, 00:00 (UTC), N 35°45′ W 55°19,1′, Tag 7
Es sind noch 1287 nm bis zu den Azoren. Wir haben ein Etmal von 120 nm geschafft, 72 davon in den letzten 12 Stunden. Ein Schnitt von 6 kn.
Von Iridium habe ich eine SMS bekommen, dass mein Account in Kürze gesperrt wird, da das Guthaben aufgebraucht ist! Was ist das für eine Sch… Ich schicke meinem Schwager eine SMS mit der Bitte uns beim Provider zusätzliches Guthaben zu bestellen. Sonst haben wir hier auf hoher See keine Möglichkeit.
Obwohl der Wind nur noch mit ca. 14 kn weht, machen wir noch gut 6 kn Fahrt. Unsere ARIES liebt halben Wind.
06:30, N 36°01.5′ W 54°36′. Noch 1250 nm Luftlinie zum Ziel. Unsere ARIES fährt wie auf Schienen, Steuerkurs ist genau COG (course over ground) bei 7kn Fahrt. Wind 16 kn aus 72° s

08:30 Sonnenaufgang und gute Nachrichten aus Österreich. Zum Glück kann ich meinen Schwager Nikolaus in Österreich erreichen. Er wird sich um das Iridium Guthaben kümmern – unser Retter in der Not. Niki ist selber Segler, und bietet an, uns zwischenzeitlich (es ist Sonntag und niemand erreichbar) per SMS mit Wetterinfos zu versorgen. Wir sind wirklich froh um dieses Angebot.
12:00, N 36°05.3′ W 53°53.7′. Wir haben unseren Kurs den Infos von Nik angepasst, und steuern derzeit genau nach Osten. Wind ca. 18kn aus 64°s, wir machen 6kn.
Wir haben ein paar Filme von Netflix runtergeladen. Abends sehen wir uns „Concrete Cowboy“ an. Wir mögen den Film.

24. 5. 2021, 00:00 (UTC), N 36°19,5′, W 52°37.6′, Tag 8
Noch 1151 nm zum Ziel. Unser Tripcounter zeigt 707 gesegelte Meilen. Wir haben gestern ein Etaml von 176 nm geschafft, dass ist ein Schnitt von mehr als 7 kn. Nicht schlecht für einen Fahrtenkatamaran. Wir sind wieder einmal sehr zufrieden mit der Wahl unseres Boots.
03:00 (UTC) Der Wind wird immer böiger mit bis zu 32kn und hoher See. Wir haben das Großsegel eingeholt und fahren mit gereffter Genua bei raumem Wind.
10:00 (ITC) N 36°37.5′ W 51°48.5′. Noch 1109 nm zum Ziel. Wir haben 3-4 m Welle und böigen Starkwind, der uns wohl noch bis morgen erhalten bleibt. Wenigstens kommen wir so vorwärts. Manchmal wird das Boot in Sekunden einige Meter angehoben, um dann in Rauschefahrt auf der Rückseite der Welle wieder talwärts zu brausen. Wir haben zeitweise 10 – 11 kn auf dem Log. Wir überlassen „Jean“ (so nennen wir unseren Autopiloten aus dem Hause GARMIN) das Steuern und vertreiben uns die Zeit mit Jassen. Die Siegerin erhält einen Preis! Mittlerweile zahlt sich das monatelange harte Training aus: Evelyn ist ein ernstzunehmender Gegner bei Jassen.

Bei Rummikub ist sie fast unschlagbar, aber da lerne ich mittlerweile auch die besten Strategieen.
20:00 (UTC), N 36°33.3′ W 50°33.8′, noch 1050 sm. Wind immer noch bis 30 kn.
Zeitweise begleiten einige Seevögel unser Schiff, die unbeeindruckt zwischen den Wellenkämmen herumkurven. So elegant sind wir nicht unterwegs, aber unsere ARIES bringt uns sicher weiter.

25. 5. 2021, 00:00 (UTC), N 36°32.9′ W 50°09.9′, Tag 9
Noch 1032 nm Luftlinie zum Zielhafen. Unser Tripcounter zeigt für den vergangenen Tag wieder fast 120 nm an. Wir sind beide müde – das rauhe Wetter ist schlecht für den Schlaft.
00:45 (UTC), es beginnt zu regnen. Der Wind dreht auf 330°
08:00 (UTC). Wir segeln mit dem 3. Reff im Main und auf 1/3 eingerolter Genua hart am Wind der mit fast 30 kn aus NO bläst. Das Knattern der aufgerollten Genua nervt. Da kann ich trimmen wie ich will – ich bekomme es nicht weg. Langsam nerven auch die hohen Wellen.

09:00 (UTC). Ich versuche per SMS ein Wetterupdate zu bekommen, aber Iridium hat jetzt wirklich unseren Account gesperrt. Hoffentlich klappt es mit dem Guthaben, das Nik bestellt hat. Wir fahren mal laut den letzten Angaben weiter.
09:30 (UTC). Der Plotter zeigt noch verbleibende 999 nm zum Ziel. Ein psychologisches Zwischenziel. Wechselnde Windrichtungen und -stärken machen das Segeln anstrengend und erfordern viele Manöver und ein waches Auge auf die Segel. Der hohe Seegang der auf uns zuläuft lässt das Boot bocken, und bremst.
17:00 (UTC). N 36°24.2′ W 48°50.6′. Iridium funktioniert wieder – Nik sei Dank! Wir drehen auf Nord Kurs …
18:30 (UTC). Um die Winde des nordwestlich liegenden Hochdruckgebiets nutzen zu können müssen wir noch weiter hoch. Der Wind kommt genau auf die Nase, wir müssen beiden Maschinen gegen an Motoren. Das kostet Sprit. Unser Dieseltank ist noch zu 53% voll.
23:30 (UTC). Der Wind dreht auf Ost, ist aber böig und die Windrichtung wechselt.

26. 5. 2021, 00:00 (UTC), N 36°45′ W 48°38′, Tag 10
Der Wind bleibt wechselhaft und nützt uns (noch) nichts auf unserem Kurs.
06:30 (UTC), N 37°01′ W 48°17′. Wir nutzen ein kurzes Zeitfenster, in dem der von PredictWind vorhergesagte Ostwind weht, um mit vollem Zeug zu segeln. Der Wind ist nicht sehr stark, wir machen 6 kn.
10:00 (UTC), N 37°10.5′ W 48°09′. Es sind noch 930 nm bis zum Ziel. Wir fahren in ein Hochdruckgebiet, dass seinem Namen alle Ehre macht. Unser Barometer zeigt 30.44 hg. Leider bringt das auch die Flaute. Wir sind aber froh mal einen ruhigen Tag zu haben, und erledigen anstehende Arbeiten. Evelyn bäckt sogar einen leckeren Kuchen, während ich mich der Navigation und dem Logbuch widme.

15:20 (UTC), N 37°23.5′ W47°43.1′. Wir sichten den Frachter „San Telmo“ auf Gegenkurs an Backboard.
17:20 (UTC), N 37°31.2′ W47°36.5′. Es sind noch 900 nm bis zum Ziel, d.h. wir haben die Hälfte der Strecke geschafft!

Ich tanke aus unseren Kanistern 120l Diesel nach. Jetzt ist unser 470l Tank wieder zu 60% voll. Mit der Schüttelpumpe ist das eine einfache Sache. Da wir immer noch unter Motor fahren, und viel Strom haben, lassen wir den Wassermacher laufen, um unsere Wassertanks wieder aufzufüllen. Ich habe den Tag verbracht, das Boot wenigstens grob vom Salz zu reinigen, und wir haben beide ausgiebig geduscht – das braucht einiges des kostbaren Nass.
19:00 (UTC). Evelyn hat fein gekocht, und zur Feier der Streckenhälfte gibt es ein Gläschen Wein zum Abendessen und ein Stück Kuchen zum Dessert. Leider habe ich mir ein Stück eines Zahnes abgebrochen. Zum Glück keine Schmerzen, aber die scharfen Kanten stören beim Anstoßen mit der Zunge. Hoffentlich finde ich in Horta einen Zahnarzt …

Wir nutzen das ruhige Wetter für einen Abendspaziergang rund ums Boot und genießen den Sonnenuntergang. Abends wird es jetzt schon frisch, drum verziehen wir uns kurz darauf in unsere gute Stube und klopfen noch einen Jass (ein in Vorarlberg üblicher Ausdruck für ein Kartenspiel). Ein angenehmer Abend!
Der Mondaufgang ist fast noch beeindruckender als der Sonnenuntergang.

27. 5. 2021, 00:00 (UTC), N 37°58.7′ W 47°12′. Tag 11
Leider immer noch wenig Wind, dafür haben wir ruhig geschlafen (abwechselnd natürlich). Es sind noch 877 nm Luftlinie zum Ziel. Da wir Richtung NO fahren, kommen wir nicht mehr so schnell näher zum Ziel. Die Nacht beschert uns einen prächtigen Vollmond.

05:20 (UTC), N 38°21.7′ W 46°50.4′. Unser AIS weckt mich mit einem Kollisionsalarm. Evelyn, die Wache hat liest entspannt ihr Buch weiter. Ich hol mal das Fernglas raus. Das Schiff kommt auf uns zu. Ich sehe Weiss-Grün. 15 min später zieht der Frachter „St. Paul“ weniger als 1 Meile hinter unserem Heck vorbei Richtung Westen. In der hellen Nacht kann man das Schiff gut sehen.

08:00 (UTC), N 38°34′ W 46°38′
Endlich genug Wind für den Spinnacker. Mittlerweile hab ich Übung, und brauche nur 20 Minuten, um das Groß zu bergen, den Schlauch unseres Spinnacker hochzuziehen, die Schotten zu legen, und das Segel dann zu setzen und zu trimmen. Der scheinbare Wind kommt mit 5 – 8 kn aus 140 – 190°. Das Segel steht gut. Wir machen 5 – 6 kn Fahrt in den Sonnenaufgang. So viel wie vorher unter Maschine.

10:50 (UTC), N 38°41.6′ W 46°26.4′. „Viel“ Verkehr hier. Diesmal ist es das Frachtschiff „Baltic Spirit“, das sich in unserem Kielwasser nähert, und uns ein halbe Stunde nach der Sichtung an StB passiert. Wir funken an, und wünschen eine gute Fahrt.

11:10 (UTC), N 38°42.5′ W 46°25′. Eine tote Meeresschildkröte treibt am Schiff vorbei. Ob sie Opfer einer Schiffsschraube wurde? Wir sehen immer noch viele Portugiesischen Galeeren und andere Quallen. Wahrscheinlich führt die Überfischung dazu, dass diese Lebewesen keine natürlichen Feinde mehr haben, und sich unkontrolliert vermehren. Das Wasser hat immer noch mehr als 21°, Luft am Tag 22°, nachts kühlt es auf 15-16° ab.
12:00 (UTC) N 38°45.2′ W 46°20.5′. Wir machen trotz schwachen Windes gute Fahrt über Grund mit 4-6 kn. Ein hilfreicher Strom, der nach NO setzt beschleunigt uns um ca. 1 kn.
15:00 (UTC) Der Wind wird stärker. Wir bergen den Spinnaker und segeln bei raumem Wind nur mit der Genua weiter. Die steht bei der unruhigen See stabiler als das Großsegel, dass gerne mal überschlägt wenn man nicht aufpasst. Wir tauschen uns mit den Freunden von MAKA und NIKAJUMA per SMS über Iridium aus, die ca. 500 nm hinter uns segeln, und gerade schweres Wetter hatten – so wie wir zu Anfang dieses Törns. Leider fangen wir nichts, also kocht Evelyn Gemüsereis. Vor meiner Wache spielen wir noch ein wenig Rummykub, dann geht Evelyn schlafen. Leider verpasst sie so den schönen Sonnenuntergang.
22:15 (UTC) N 39°17.7′ W 45°38.8′, noch 797 nm. Ich habe mich dazu entschlossen etwas früher als von der Routenplanung angegeben nach Osten zu drehen. Wir segeln mit Kurs 78°. So liegt das Boot in der von achtern kommenden See ruhiger, und die Genua steht mit dem Wind aus 140° stabiler. Das macht die Nacht für die Freiwache angenehmer. Bei wechselnder Windstärke von 12 – 17 kn segeln wir mit 4 – 6 kn.

28. 5. 2021, 00:00 (UTC) N 39°18.7′ W 45°29′. Tag 12
Noch 790 nm zum Ziel. Wir sind jetzt schon nördlicher als unser Ziel, hier kommt aber laut PredictWind endlich der Südwestwind auf den wir gewartet haben ins Spiel. Ab jetzt geht es Richtung Ost, direkt unserem Ziel entgegen. Die Turbulenzen unserer Rümpfe und der Ruderblätter zeichnen zwei Leuchtspuren aus fluoreszierendem Plankton. Manchmal erwischt es eine Qualle, die dann noch viele Meter zurück als leuchtende Stelle im dunklen Ozean zu sehen ist. Steuerboard voraus steigt der volle Mond rötlich leuchtend aus den Fluten und verschwindet kurz darauf hinter den Wolken des bedeckten Himmels.
05:30 (UTC) Der Wind schwächelt. Ich setze volles Groß- und Vorsegel und gehe in den „Schmetterling“. Diese Segelstellung erfordert bei den sich drehenden Winden ein hohes Maß an Aufmerksamkeit, um zu vermeiden dass der Baum plötzlich umschlägt weil das Boot zu viel abfällt, oder das Vorsegel einfällt. Ich überlasse diesen Job wieder mal Jean. Der Autopilot macht das perfekt. So machen wir ca. 5 kn Richtung NO.
Während des Segelmanövers kommt eine Gruppe Delphine und spielt während die Sonne aufgeht um unser Boot.
08:30 (UTC) N39°27.8′ W44°52′. Das Ziel liegt 760 nm Richtung Osten. Die Windstärke ist ziemlich ungleichmäßig, wird aber nicht so stark, dass wir reffen müssten.

12:00 (UTC) N39°40′ W44°36.2′. Noch 748 nm Luftlinie. Wind jetzt mit 15 – 18 kn aus 240°. Angenehmes Wetter, blauer Himmel und die Sonne wärmt mich schon auf dem Steuerstand. Evelyn schläft noch, ich hoffe sie erholt sich ein bisschen. Sie hat meistens Probleme mit dem Einschlafen.
15:00 (UTC) N39°47′ W44°20′. Wir drehen wieder auf Ostkurs und segeln mit normaler Segelstellung mit halbem Wind aus Süd mit 13 – 17 kn Stärke. Die Wellen bleiben nicht höher als 1,5m. Damit läßt es sich segeln. Wir haben einen leichten Gegenstrom, darum kommen wir kaum mal über 7kn Speed.

29 . 5. 2021, 00:00 (UTC) N 39°48.3′ W 43°20.7′. Tag 13
Wir segeln weiter auf Ost Kurs Richtung Ziel. Bis dorthin sind es noch 690 nm. Unser Tripcounter gibt an, dass wir seit dem Auslaufen in den Bermudas eine Strecke von 1277 nm zurückgelegt haben. Leider haben wir auch heute keinen Fisch gefangen, dafür hat sich aber eine der vielen Portugiesischen Galeeren im Hacken verfangen. Der Atlantik scheint leergefischt zu sein. Selbst der Seevogel, der uns seit Bermuda begleitet versucht schon unseren Köder zu erwischen. Wir sehen nicht mal fliegende Fische, die sonst immer vom Boot aufgescheucht werden.

Heute machen wir gute Fahrt. Bei halbem Wind und relativ ruhigem Wasser fahrt unsere ARIES wie auf Schienen und erreicht bei knapp 15 kn Wind teilweise über 8 kn Speed. So soll’s sein.

30. 5. 2021, 00:00 (UTC) N 39°38.4 W 40°23.6′, Tag 14
Unsere Entfernung zum Ziel ist auf 553 nm geschrumpft. Gestern haben wir ein Etmal von 147 nm rausgeholt.
01:15 (UTC) N 39°37.6′ W 40°18.8′. Im Wasser um unser Boot blitzt und funkelt es. Delphine begleiten unseren Weg. Die Tiere selbst sind nicht zu sehen, dafür aber eine leuchtende Spur aus Blasen und fluoreszierendem Plankton – Faszinierend!

Der Wind flaut ab, wir machen aber noch etwas über 5 kn Fahrt.bei 11 kn Wind aus 100° s.
09:00 (UTC) Wind dreht auf W. Wir segeln mit Kurs 60°, Wolken, leichter Regen.
12.00 (UTC) N 39°37.2′ W 39°09.5′ Unsere Entfernung zum Ziel beträgt weniger als 500 nm Luftlinie. Leider sind wir mal wieder in einer Flaute und müssen mit ein bisschen Segelunterstützuung Richtung NO motoren um Wind zu bekommen. Delphine begleiten das Boot. Während ich im Bugkorb sitze um sie zu filmen schwimmt plötzlich ein 3 – 4 m langer Bullshark vor das Boot. HAI – ALARM!
Nach wie vor sehen wir viele portugiesische Galeeren.

17:30 (UTC) N 39°42.6′ W 38°41′. Wir sind auf den versprochen Nordwind gestoßen und können wieder segeln. Kurs 110°, noch 475 nm zum Ziel.
20:00 (UTC) N 39°42.6′ W 38°25.3′. Wir haben einen guten Stream mit 15kn Wind aus 20° (Nord) erwischt. Im ruhigen Wasser geht es mit etwas über 6 kn flott dahin. Immer wieder kreuzen Delphingruppen unseren Weg.
Im muss die Gasflasche wechseln, um mir einen Tee kochen zu können.

31. 5. 2021, 00:00 (UTC), N 39°38′ W 37° 59.3′, Tag 15
Teilweise haben wir fast doppelt so viel Wind, wie WindPredict vorhergesagt hat – bis zu 19 kn aus NNO. Hart am Wind segeln wir auf direktem Kurs Richtung Horta, mal sehen wie lange das so bleibt … Es sind noch 450nm zum Ziel.
00:45 (UTC), N 39°37.6′ W 37°55.3′. Der Wind dreht mehr auf Nord und beruhigt sich etwas. Das Boot läuft ruhiger, und schneller – trotz weniger Wind.
06:30 (UTC), N 39°33.u‘ W 37°26.5′, Kurs 90°. Der Wind bleibt stabil. Im Morgengrauen rolle ich die Genua wieder voll aus. Wir machen 6 kn und segeln in den prächtigen Sonnenaufgang.

08:00 (UTC). Ich habe neue Köder an unsere Angel gehängt. Vielleicht fangen wir jetzt statt der Quallen doch mal einen Fisch. Zum Glück gibt es hier weiter östlich weniger Sargasso.
12:00 (UTC) N 39°34.6′ W 36°43′. Die Windgeschwindigkeiten steigen wieder. Um 13:30 sind es fast 25 kn SWG, wir legen das 2. Reff ein.

1. 6. 2021, 00:00 (UTC), N 39°25.3′ W 35°10.3′, Tag 16
Der Wind dreht langsam von Nord auf NNW. WIr segeln Kurs 100°. Wir haben gestern wieder 131 nm geschafft. Querab an BB sehe ich die Positionslichter eines Schiffes das uns überholt.
03:20 (UTC) N 39°19.6′ W 34°50.1. Noch 300 nm Entfernung zum Ziel!
Heute ist es kalt. Die Temperatur steigt mit dem Nordwind nicht über 15°. Die Windstärke bleibt um die 5 Beaufort. Wir machen 6 – 7 kn Fahrt in Richtung unseres Ziels, versuchen aber etwas nördlicher zu bleiben, um später weniger Motorstunden in der angesagten Flaute zu brauchen. Nach dem wunderbaren Sonnenuntergang wird der Wind etwas schwächer, reicht aber noch zum Segeln.
22:45 (UTC), N 38°56′ W 32°59.5′. Ein Squall bringt kurzfristig starken Wind und zwingt uns zum Reffen. Nach einer halben Stunde ist alles vorbei, und wir können die Segel wieder aufziehen …

2. 6. 2021, 00:00 (UTC), N 38°54′ W 32°49.8′, Tag 17
Der Wind wird immer schwächer. WIr machen nur noch 3 – 4 kn Fahrt mit voller Besegelung. Gegen 1:00 (UTC) knacken wir die 200 nm – Marke. Später dreht der Wind auf Gegenrichtung. Wir bergen die Segel und motoren weiter Richtung Ziel.
WIr nähern uns den Azoren. Erstmal empfangen wir Funksprüche. Ich hab ein Auge auf unseren DIeseltank, wir haben noch 43%, also noch gut 200l. Am Nachmittag versuchen wir wieder zu segeln, kommen aber bei ca. 7 kn Wind nur mit 3 kn voran. Dafür ist die Ruhe eine Wohltat für die Ohren. Auch wenn unsere Diesel leise sind, wird das dauernde Motorengeräusch doch irgendwann lästig.

Evelyn hat unsere Verpflegungslogistik voll im Griff. Selbst kurz vor dem Ziel unserer Reise gibt es immer gesundes und leckeres Essen. Heute hat sie Gemüsegipfel gebacken. Dazu gibt es (nach mehr als 2 Wochen auf dem Meer) frischen knackigen Salat und zum Dessert selbst gemachtes italienisches Spachteleis a la „Frutti di Bosco“.

18:45 (UTC) N 38°48.4′ W 31°17.7′. Bis zum Zielhafen Horta auf Fajal sind es noch ca. 130 nm, aber immerhin sehen wir die erste der Azoreninseln. LAND IN SICHT. An Backboard voraus schält sich Flores aus dem Dunst.

Gerne würden wir der Insel einen Besuch abstatten, aber die Behörden schreiben vor, dass man zuerst in Horta einklariert (Port of Entry), bevor man die Inselgruppe weiter erkundet.

3. 6. 2021, 00:00 (UTC), N 38°53′ W 30°51.3′, Tag 18
Wir fahren weiter nach NO, um gegen morgen hoffentlich noch etwas Wind für den Rest unserer Strecke zu finden. Es herrscht totale Flaute. Unser DIeseltank ist noch zu 1/3 voll. In unserem Fahrwasser nähert sich ein Schiff. Es ist der Tanker „Rebecca Schulte“, der uns gegen 01:15 (UTC) an Backboard überholt.

06:45 (UTC) N 39°01.4′ W 30°10.3′, noch 84 nm zum Ziel. Langsam kommt achterlicher Wind auf. Ich setze den Spinnacker und hoffe auf mehr Wind. Wir machen knapp 4 kn Fahrt.

08:30 (UTC). Wir sichten den Tanker „Yasa Flamingo“. Der Wind dreht langsam mehr auf West, wir können Kurs auf Fajal setzen. Kurz nach 9:00 passieren wir den 30igsten Längengrad Richtung Osten. Noch etwas mehr als 70 nm zum Ziel.

16:00 (UTC) N 38°56.2′ W 29°26.4′, wir sind noch 50 nm vom Zielhafen entfernt, als sich langsam die Insel aus dem dunstigen Horizont herausschält. Bis zur Insel selbst sind es nur noch ca. 35 nm, aber wir müssen noch rundum segeln. Der Wind frischt auf, und wir machen gute Fahrt. Später wird er so stark und dreht mehr auf Süd, sodaß wir den Spi bergen und die normalen Segel setzen müssen.

18:00 (UTC) N 38°52.8′ W29°16.8′. Der Frachter „Margarethe“ passiert uns mit Gegenkurs an Backboard Richtung Flores.

4. 6. 2021, 02:30 (UTC), N 38°36.3′ W 28°35.3′, Tag 19
Wir haben die Nordost – Ecke der Insel umrundet, und nehmen Kurs auf Horta. Da wir Südwind haben, heißt es Segel bergen und gegen an motoren.
03:00 (UTC), N 38°32.1′ W 28°37.4′. Wir ankern im Hafen von Horta.

08:00 (UTC). Ich melde uns per Funk in der Marina an. Kurze Zeit später bring uns ein RIB der CoastGuard zum PCR-Test im Cruiseship – Terminal. Das nenne ich mal Service. Die Tests sind hier übrigens gratis. Sobald wir morgen das negative Ergebnis bekommen haben, dürfen wir offiziell einklarieren, und uns dann auf den Inseln frei bewegen!

Wir sind froh, dass wir die Überfahrt ohne größere Komplikationen geschafft haben. Wir haben für die fast genau 2000 gesegelten Meilen 18 Tage gebraucht. In den Flauten sind wir mit einer Maschine mit ca. 4 – 5 kn gefahren. Höchste Geschwindigkeit waren 10 kn bei halbem Wind. Durchschnitt laut GPS waren 4,7 kn. Auf der Strecke haben wir etwas mehr als 300 l Diesel verbraucht – gerne wären wir mehr gesegelt.

Problematisch war, dass der Download der GRIB Files teilweise so lange gedauert hat, dass unser Guthaben zu schnell aufgebraucht war. Damit hatten wir nicht gerechnet. Iridium stellt dann innerhalb von 3 Tagen den Account ab, wenn man das Guthaben nicht aufladen kann. Wer Iridium kennt, weiß, dass das kein einfaches Unterfangen ist: Man muss bei dem Provider, bei dem man die SIM Karte erworben hat – in unserem Falle UShip in Guadeloupe neues Guthaben bestellen, den Rechnungsbetrag überweisen und dann auf die Aktivierung warten. Das kann – wenn es grad aufs Wochenende fällt schon mal 3 – 4 Tage dauern. Auf den karibischen Inseln ist aufgrund der Covid – Situation nicht bei allen Geschäften mit einer regulären 5-Tage Woche zu rechnen. Wenn wir nicht Unterstützung durch meinen Schwager in Österreich gehabt hätten, hätte es keine Möglichkeit gegeben, das Problem vom Boot aus zu lösen. Iridium ist sich offensichtlich nicht bewusst, dass das im schlimmsten Fall Menschenleben kosten kann!

Sonst gab es keine Ausfälle oder Schäden. Einzig unsere Nationale hat sich im starken Wind in einzelne Fäden aufgelöst. Da werden wir wohl eine neue brauchen.

Jetzt erholen wir uns erstmal und fangen dann an, dass Schiff wieder in Ordnung zu bringen. Während der langen Fahrt hat sich eine richtige Salzkruste auf allen glatten Oberflächen abgesetzt. Der feine Salznebel dringt selbst in die Innenräume und verursacht mit der Zeit Schimmel, wenn er nicht rechtzeitig entfernt wird.

8 Comments

8 Comments

  1. Christian says:

    Ja, ich finde den Bericht auch sehr gut. Respekt das Ihr dies schwierige Überfahrt zu zweit so gut gemeistert habt. Ist sicher auch sehr hilfreich und lehrreich für Eure weiteren Segelreisen. Ganz sicher von Nutzen für andere Leute die vor der gleichen Reise stehen.
    Alles Liebe von Joanna und Christian

  2. Carmen Hubet says:

    Hallo ihr zwei Abenteurer, welcome back to Europe!
    Wow, ich bin beeindruckt von eurer Atlantik Überquerung!!
    Toll geschrieben, spannend erzählt.
    Schön das ihr gesund und wohlauf in Horta angekommen seid.
    Tolle Bilder, somit können wir auch teilhaben am Abenteuer catamaran-aries, Dankeschön!🌊⛵🙏👏
    Erholt euch gut, so eine Reise hinterlässt sicherlich viele Eindrücke und Emotionen die verdaut werden müssen und ein paar Kilos, wie ich sehen kann sind auch gepurtzelt.
    Ganz eine tolle Zeit euch auf den Azoren und eine gute Überfahrt ins Mittelmeer.
    Liebe Grüße us am Ländle 🤗

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