Atlantiküberquerung 2.0

Die Tage auf den Kapverden vergehen wie im Flug. Bei unserer Ankunft haben wir uns mit einer lokalen SIM-Karte von Unitel (20 GB für 30€) ausgerüstet. Der Mobilanbieter hat einen Shop direkt vor der Marina. Daten über die österreichischen Provider sind auf den Kapverden unerschwinglich.

Wir sind fast jeden Tag unterwegs, um die Insel und Ihre Bewohner besser kennenzulernen. In Mindelo zu Fuß, ein guter Weg ist aber auch eine Rundfahrt mit einem Local Guide. Erstes Highlight des Ausflugs war der Gipfel des höchsten Berges der Insel Sao Vicente, der Monte Verde. Fast auf dem Gipfel gibt es einen Biobauer, der neben Mais und Gemüse auch Zuckerrohr und Pfefferminze, Zitronengras und andere Kräuter anbaut. Auf der schön angelegten Terrasse kann man den hausgemachten Kräutertee genießen. Uns hat er gemundet. Für Freunde von Hochprozentigem gibt es Rum und selbstgemachte Liköre.

Spannend ist, wie man hier zu Wasser kommt. Da es so gut wie nie regnet, müssen die Felder künstlich bewässert werden. Das passiert mit Fangnetzen, die die Luftfeuchtigkeit kondensieren und dann über eine Rinne eine Zisterne speisen.

Von hier oben hat man einen tollen Ausblick, heute ist es allerdings so dunstig, dass man von der Nachbarinsel Santo Antão, die vor allem bei Wanderern und Kletterern beliebt ist, nur den Gipfel des höchsten Berges sieht.

Nachdem wegen der Luftfeuchtigkeit hier oben auch Gras und Kräuter wachsen, gibt es auch ein paar Schafe und Ziegen, die unseren Weg kreuzen.

Wir fahren weiter nach Osten zur Baía das Gatas. Einer Bucht mit langem Sandstrand und seichtem Wasser. Am Ufer steht eine große Bühne, die übers Jahr immer wieder für Musikfestivals verwendet wird. Die Bewohner der Insel sind stolz auf Ihre Musik und verehren die Stars der Musikszene.

Wir wandern bis zum Ende des frisch beplankten Molos und sammeln am Sandstrand ein paar Muschelschalen. Wegen der geringen Wassertiefe verwenden die Fischer hier immer noch Segelboote statt Motorboote. Finden wir super.

Unsere Fahrt führt weiter der Küste mit endlosen Sandstränden nach Calhau. Eine private Initiative kümmert sich hier um verletzte Meeresschildkröten. Die meisten der Tiere, die hier behandelt werden, sind Opfer von Fischernetzen oder haben Verletzungen durch Schiffspropeller davongetragen. Wir unterstützen die Foundation mit einer kleinen Zuwendung, und hoffen so weiteren Tieren das Überleben zu sichern.

Zurück geht es durch das Flusstal. Der Bach führt kein Wasser, aber in dieser Region wird Landwirtschaft betrieben. Wir sehen zahlreiche Palmen und Windräder, die das Grundwasser an die Oberfläche fördern. Nicht alle Inseln sind so trocken wie Sao Vincente und so können sich die Inseln mit Obst und Gemüse fast selbst versorgen. Viehzucht gibt es abgesehen von wenigen Kühen und ein paar Ziegen kaum, dafür Shrimps-Farmen und natürlich liefert der Fischfang wichtige Proteine.

Mindelo, die Hafen- und Hauptstadt der Insel, weist noch zahlreiche Zeugen der portugisischen Kolonialzeit auf. Allen vorn die ehemalige Capitaneria, die schon beim Einlaufen in die Bucht zu sehen ist, und eines der Wahrzeichen der Stadt darstellt.

Riesige Supermärkte sucht man vergebens, es gibt aber Geschäfte für alle wichtigen Dinge, einen Fischmarkt, einen Obst- und Gemüsemarkt und einen großen Marktplatz mit kleinen Geschäften, die Schneider, Schuster, Boutiquen, Kunstgeschäfte und Elektronikläden beherbergen. Evelyn findet ein paar tolle Stoffe – ich bin schon gespannt, was sie darauf zaubert. Beim Einkauf von Obst und Gemüse auf dem Markt sollte man sich ein wenig Zeit lassen und Qualität und Preise vergleichen.

Die Küche auf den Kapverden ist vergleichsweise einfach, und erinnert uns an die Karibik. Ein typisches Landesgericht ist das Cachupa Rica, eine Art Eintopf mit Gemüse, Mais, Fisch und/oder Fleisch. Es gibt lokales Bier, ein paar Brennereien produzieren Rum.

Den 25. November nutzen wir, um die letzten Besorgungen zu machen und auszuklarieren. Das Prozedere bei den Behörden, die im Hafengelände untergebracht sind, dauert etwas, aber alle sind freundlich und es kostet nichts. Eigentlich wollten wir heute losfahren, wir sind aber vom Herumlaufen so müde, dass wir beschließen noch eine Nacht zu bleiben. Wir haben nochmal so viel entdeckt, da hat es wieder länger gedauert als geplant.

Wir machen aber das Schiff klar – so können wir morgen gleich los.

Die Crew der „TRELAX„, Vorarlberger, die wir vor ein paar Tagen kennenlernen durften, laden uns abends noch zu einem gemütlichen Plausch auf ihre Neel 51 ein. Egon ist ein Bastler wie ich und ständig auf der Suche nach Verbesserungen – so wird gefachsimpelt, während die Damen Lebensgeschichten und Rezepte austauschen. Ein toller Abend mit Freunden, der später als geplant endet.

26.11.2022, 10:00UTC. Nach einem leckeren Frühstück geht der Anker auf und die ARIES schlängelt sich durch die in der Bucht ankernden Jachten in freies Gewässer. Nachdem Groß- und Vorsegel gesetzt sind, geht es mit Kurs West in den Kanal zwischen den Inseln Santo Antão und São Vicente. Hier herrscht eine starke Düse mit bis zu 30 kn Wind, der uns mit anständiger Geschwindigkeit vorwärtsbringt. Das ändert sich schlagartig, als wir über die westliche Ecke von Santo Antão hinaussegeln. Plötzlich ist der Wind fast weg und wechselt die Richtung. Wir sind in der Abdeckung der hohen Berge. Es hilft nichts. Wir werfen einen Diesel an und fahren weiter Richtung Westen.

16:00UTC Erst nach 10 nautischen Meilen (ca. 18.5 km) kommen wir langsam aus dem Windschatten der großen Insel und können wieder segeln. Nach dem Segelmanöver gibt es Blumenkohl Shakshuka zum Abendessen. Der Wind wird laufend stärker und erreicht gegen 20:00 Uhr Geschwindigkeiten von über 25 kn. Die Wellen sind unkomfortabel, aber wir kommen mit ca. 7 kn gut Richtung Westen voran. Noch sehen wir hin und wieder einen Frachter auf dem AIS, das wird sich aber wohl ändern, wenn wir weiter auf dem Meer sind.

27.11.2022, 0:00UTC, N 16°48′ W 26°23.3′. Westlich der Kapverden
Immer noch weht der Wind mit 20 kn. Seit dem Start sind 83 nm gesegelt. Es geht flott voran auf Westkurs mit 275°. Kurz vor 3:00 Uhr morgens (es gilt immer UTC / GMT) haben wir die ersten 100 Seemeilen hinter uns gebracht, und dabei einen Durchschnitt von gut 6 kn erreicht. Nach dem Frühstück passiert uns die „Namaste 2“ mit geringem Geschwindigkeitsüberschuss nur eine Meile entfernt an Backbord. Wir funken an und wünschen gute Fahrt. Um 10:00 Uhr – wir sind jetzt 24 h unterwegs – ziehen wir eine erste Bilanz: Wir sind 148 nm gesegelt, das bedeutet einen Durchschnitt von 6,2 kn. Wenn wir diese Geschwindigkeit halten könnten, wären wir in 14 Tagen in der Karibik. Weniger gut schaut es mit dem Anglerglück aus. Das viele Sargassoseegras zwingt uns dazu, die Angel immer wieder einzuholen, und das Gras zu entfernen. Wenn die Büschel am Hacken zu groß werden, ist es bei dieser Geschwindigkeit kaum mehr möglich, die Schnur einzuholen.

Dafür fangen wir unfreiwillig immer wieder fliegende Fische, die sich – vor allem nachts – auf unser Deck verirren. Essen kann man diese Fische kaum, da sie einen unangenehmen Geruch haben und viele Gräten. Der Geruch verfolgt uns denn auch – bis wir einen dieser Bruchpiloten unter einem Polster im Cockpit finden. Evelyn, die olfaktorisch sehr sensibel ist, überlässt mir die Entsorgung und Reinigung …

Unsere Solarpaneele haben bis zu Mittag die Batterien geladen und wir können die Energie verwenden um den Wassermacher einschalten. In den Kapverden waren wir ja vor Anker und haben weder Diesel, Strom noch Wasser getankt. Der Dieseltank ist noch voll, da wir auf der letzten Etappe die Motoren nicht gebraucht haben, Strom kommt von der Sonne und unser Wasser machen wir per Entsalzungsanlage selbst.
Am Nachmittag wird der Wind nochmal stärker und erreicht in Böen Geschwindigkeiten bis zu 30 kn. Leider werden dadurch auch die Wellen höher und das Reisen anstrengend. Teilweise türmen sich Wellen von 3 m und mehr hinter dem Boot auf, bevor wir nach oben gehoben werden und dann auf dem Wellenkamm surfen. So erreichen wir Spitzengeschwindigkeiten von über 10 kn.

Um 20:00UTC haben wir 220 nm zurückgelegt. Bis nach Barbados sind es also nur noch etwa 1800. Auf dem Plotter sehen wir weit an Backbord ab und zu das AIS Signal der „Saga“. Als Evelyn etwas später zu Bett geht, meldet sie mir ein metallisches Geräusch von der Ruderanlage. Die lange Verbindungsstange, die unsere beiden Ruder verbindet, schwingt bei den starken Wellen und scheppert ab und zu gegen die Kanten der Aussparungen, durch die sie im Bridgedeck hindurchgeführt ist. Wie jeden Abend lade ich mir die neuen Wetterdaten per Predict Wind Offshore App und unserem Iridium Go herunter, um die weitere Törnplanung machen zu können. Wir segeln weiter auf Kurs 275° und machen 7 kn. Ich bin gespannt, ab wann Starlink auch auf den Meeren lückenlos verfügbar ist. Eine Breitbandinternetverbindung mit niedriger Latenz mitten auf dem Ozean wäre schon sehr cool.

28.11.2022, 0:00UTC, N 16°45.4′ W 29°12.9′. Mittlerweile haben wir fast 250 nm zurückgelegt, in den letzten 24 h waren es 164 nm, das ergibt eine Durchschnittsgeschwindigkeit von fast 7 kn. Der Wind ist böig mit 18 – 25 kn aus Richtung 60° – 70°. Das Wetter klar mit 24° C.
Etwa eine Stunde später dreht der Wind so, dass der Wind mehr von hinten kommt. Wenn der Windwinkel größer als 130° wird, wird unsere Genua (das Vorsegel) vom Großsegel so abgedeckt, dass es einfällt und zu flattern anfängt. Wir haben unseren Kurs schon auf 280° angepasst, müssen aber schließlich das Vorsegel einrollen und nur mit dem Großsegel weiterfahren. Der Wind ist immer noch böig und ändert häufig die Richtung. Nach einer ungewollten Halse bergen wir das Großsegel und segeln nur mit der Genua weiter, die ich per Spinnaker-Schot weiter aussenbord ziehe, als das mit den Vorsegelschoten möglich wäre.

So können wir den vorgegebenen Kurs vom 265° gut halten. Die Genua ist nachts unser bevorzugtes Segel. Es lässt sich leicht reffen und ganz einrollen oder auch auf die andere Seite legen, falls der Wind dreht, ohne dass dafür das Schiff in den Wind gedreht werden muss. Alle Leinen dazu führen in unseren Steuerstand. Ein wesentlicher Sicherheitsaspekt – vor allem in der Nacht.

Kurz nach Mittag fliegen einige Fischreiher um unser Schiff. Ab 14 Uhr dreht der Wind wieder mehr auf NO und kommt für uns von der Seite. Es macht Sinn, das Großsegel wieder zu setzen. So machen wir bei 20 kn Wind wieder 7+ kn Fahrt.

Der Abend präsentiert uns einen schönen Sonnenuntergang. Evelyn hat leckeres Gemüse-Reisfleisch gekocht. Wir diskutieren, ob wir das Großsegel über Nacht wieder bergen sollen, und entschließen uns dafür. Eine gute Entscheidung – kurz vor Mitternacht steigen die Windgeschwindigkeiten wieder auf 30 kn und wir machen allein mit der gerefften Genua schon rauschende Fahrt.

29.11.2022, 0:00UTC, N 16°39.4′ W 31°41.8. Nach dem Download der Wetterdaten tausche ich mich per Iridium SMS noch mit der Trelax aus, die eine südlichere Route nehmen wollen, um der angesagten Flaute auszuweichen. Gegen 1:00 morgens haben wir 400 nm zurückgelegt, 150 davon in den letzten 24 h. Eine Stunde später quert ein Frachter vor uns unseren Kurs Richtung Gibraltar.
7:15UTC, N16°36.8′ W32°24.8′. Evelyn holt mich aus dem Bett, weil sie auf dem Plotter unbewegliche AIS-Signale bemerkt hat, und ein Boot mit Problemen vermutet. Wie sich herausstellt sind es aber nur Bojen, die das mehr als 5 Meilen (!) lange Netz der Shoei Maru Nr. 127 markieren, das dieses Fischfangschiff mitten in der Segelroute ausgelegt hat. Die Chinesen fischen immer noch auf allen Weltmeeren …
10:00UTC, N16°35.1′ W32°40′. Wir sind jetzt seit genau 3 Tagen unterwegs und haben 450 nm zurückgelegt. Das ergibt eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 6,3 kn. Der starke Wind bleibt uns erhalten, dreht allerdings wieder mehr auf Ost, sodass wir nur mit der Genua segeln können.

30.11.2022, 0:00UTC, N 16°33′ W 34°0.3′. Wir haben etwas mehr als 1/4 der Strecke geschafft. Es geht immer noch gut voran. Wir haben uns für relativ lange Wachzeiten entschieden. Ich übernehme die erste Schicht von 21:00 bis 2:00 morgens, Evelyn von 2:00 bis 7:00. Tagsüber legen wir uns abwechselnd mal hin, wenn es die Situation zulässt. Hier auf dem offenen Meer gibt es wenig Verkehr, und es genügt, alle 1/2 Stunde mal einen Rundumblick zu machen, und den Wind und Kurs im Auge zu behalten. Daneben lesen wir oder machen ein Spiel. Besonders nachts kommen einem auf dem offenen Meer aber schon hin und wieder Zweifel, ob alles gut gehen wird. Vor allem bei starkem Wind und hohen Wellen überlege ich mir, was alles kaputtgehen könnte. Da ist ein toller Sternenhimmel oder eine Schule Delphine eine willkommene Ablenkung.

Morgens kurz vor 7:00 Uhr dreht der Wind, kurze Zeit später regnet es.
10:00UTC, N 16°31.3′ W 34°58.6′. In 4 Tagen sind wir 584 nm gesegelt.
14:30UTC, N 16°32.1′ W 35°12′. 5 nm entfernt segelt die „Hummingbird of Humble“, ein anderer Katamaran, wie wir auf dem Plotter erkennen können. Für einen Sichtkontakt ist das Boot zu weit entfernt.
Nach einem Wetterupdate am Abend beschließen wir auch einen südlicheren Kurs zu fahren. Wir möchten ja, wenn möglich, ohne Emissionen reisen. Da ist die Auswahl einer Route mit möglichst idealem Wind von entscheidender Bedeutung. Leider sind die langfristigen Prognosen der Wettermodelle meist wenig genau, sodass ein tägliches Update Sinn macht. Noch sind wir vom vorhergesagten windarmen Gebiet weit entfernt – so können wir unsere Route noch anpassen. Wir segeln jetzt mit Kurs 245° nach WSW. Noch 1400 nm zum Ziel.
Abends ziehen Wolken auf. Wir haben einige Folgen der Staffel „Peripherals“ von Amazon heruntergeladen und machen uns einen Filmabend. Da hat sich mal jemand einen spannenden Plot ausgedacht. Dazu gibt es Popcorn, frisch aus der Pfanne.

1.12.2022, 0:00UTC, N 16°19.4′ W 36°20.8′. 666 nm liegen seit unserer Abfahrt auf den Kapverden hinter uns. In den letzten 24 h haben wir 138 nm zurückgelegt, das entspricht einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 5,75 kn. Der Wind wird etwas schwächer und weht zurzeit mit 16 – 22 kn aus einer Richtung von 115°.
10:00UTC. Nach dem Frühstück haben wir in den bisher 5 Tagen, die wir unterwegs sind 718 nm geschafft. Damit steigt die Durchschnittsgeschwindigkeit auf fast 6 kn. Heute ist es bewölkt, das Meer eher grau als blau und marmoriert mit gelben Masern aus Sargassogras.

Um unsere Batterien nach der langen Nacht trotz Wolken wieder aufzuladen, lassen wir einen Motor 1 h laufen.
Ich hänge im Saloon unseren Adventskalender auf, während Evelyn einen Zopf und frisches Brot bäckt.
Es gibt viel Arbeit beim Segeln. Der Wind bleibt stark und böig und frischt im Bereich von Regenwolken auch schon mal auf 30 kn auf.

Also heißt es immer ein Auge auf den Windmesser zu haben und immer bereit zum Reffen oder Abfallen sein. Durch die Winddreher ist auch das Meer unruhig und beeinflusst das Segelverhalten des Bootes zusätzlich. Immer wieder mal schiebt eine höhere Welle das Heck aus der Spur, und Franzl – unser Autopilot – hat anständig zu kämpfen, um den Kurs zu halten.

2.12.2022, 0:00UTC, N 15°42.5′ W 38°27.3′. Wir haben mittlerweile 795 nm geschafft. Ich steuere einen südlicheren Kurs, in der Hoffnung, die angekündigte Flaute umfahren zu können. Auf dem AIS erscheint die „ANANDA“.
Heute ist unser Hochzeitstag, und in Ermangelung von frischen Blumen habe ich Evelyn aus Servietten, Draht, Papier und Klebeband eine Rose gebastelt, die ich ihr zum Frühstück überreiche. Wir genießen ein ausgiebiges Frühstück mit frischem Brot, Zopf und allem was dazugehört.

Wir sind wieder schnell unterwegs. Der Wind weht immer noch mit 20+ kn aus 120°. Wir sind mit gerefftem Großsegel und Genua unterwegs. Gegen Abend sehen wir wieder Echos anderer Boote auf unserem Plotter. Die „SEANAPS“, die hinter uns nach Südwesten läuft, und später die „GENIA“ auch ein Catamaran auf Parallelkurs. Wir kennen die Crew der GENIA von unserem Aufenthalt in La Linea. Ein Vorarlberger mit seiner italienischen Freundin!

3.12.2022, 0:00UTC, N 14°43.4′ W 40°22.5′, 923 nm sind geschafft.
Morgens lade ich per Iridium die neuen Wetterdaten. Die Prognose verkündet, dass wir vermutlich ohne Motor auskommen werden, wenn wir uns weiter südlich halten, also bleiben wir auf Kurs 245°.
Am späteren Vormittag sinkt die Windgeschwindigkeit erstmals so weit, dass wir unseren Spinnaker einsetzen können. Das riesige Segel zieht uns trotz des schwächeren Windes mit mehr als 6 kn vorwärts. So stellt man sich Passatsegeln vor.

Am frühen Nachmittag landet ein weißer Reiher auf unserem Boot – mehr als 1000 Meilen vom nächsten Ufer entfernt! Auf dem AIS sehen wir immer noch die GENIA, die fast auf parallelem Kurs segelt, und die XAGA, die wir langsam einholen.

Wir überholen das Boot gegen 20:00 Uhr in nur 1 nautische Meile Abstand, als ob wir die Koordinaten für dieses Treffen vorher vereinbart hätten. Später funke ich mit der „GENIA“ und wünsche der Crew gute Fahrt.

4.12.2022, 0:00UTC, N 13°36.3′ W 42°15′, 1043 nm liegen hinter uns – mehr als die Hälfte der Strecke.
Der Wind ist wieder einmal sehr wechselhaft. Wir müssen den Spinnaker bergen und mit Groß- und Vorsegel weiterfahren, weil er zu seitlich kommt. Am Nachmittag haben wir erstmals schwachen Wind und machen teilweise weniger als 5 kn Fahrt. Dafür ist uns das Anglerglück hold, wir fangen 2 Jacks.
Der Reiher hat sich bei uns eingenistet, und denkt nicht daran, das Boot wieder zu verlassen. Wir verfüttern ihm die Abfälle vom Filetieren und teilen uns die Filets. Dazu gibt es leckeren, frischen Salat.

Abends weht der Wind aus Süden – zum Glück wieder so stark, dass wir gut vorankommen. Evelyn entdeckt in der Abenddämmerung auf dem Wasser eine Haiflosse.

5.12.2022, 0:00UTC, N 13°42.‘ W 43°53.7′, wir sind bei 1145 nm angelangt.
Heute weht der Wind eher schwach, und wir setzen wieder unseren Spinnaker und segeln bei ruhigem Wasser komfortabel dahin.
„Rüdi“ – wie wir unseren Bootsreiher getauft haben, wird immer zutraulicher. Wenn Evelyn rund ums Boot läuft, folgt er ihr auf dem Fuß. Er ist ausgesprochen neugierig und will immer sehen, was wir machen. In den Saloon lassen wir ihn nicht – er ist leider nicht stubenrein. 😉

Mit dem Angeln haben wir weniger Glück, wir fangen nur Büschel des Sargassograsses, das immer häufiger wird. „Rüdi“ bekommt aufgetauten Thunfisch.
Abends funken wir mit der „FAI-LA“, die wir per AIS identifiziert haben. Die Crew will nach Granada und segelt ebenfalls südlicher, um der Flaute auszuweichen. Predict Wind gibt immer noch einen direkten Westkurs an. Später haben wir wieder mal mehr Wind als vorhergesagt, und kommen voran.

6.12.2022, 0:00UTC, N 13°44′ W 45°31.7′, bisher sind wir 1241 nm gesegelt.
Der Wind passt bis zum Nachmittag und schläft dann plötzlich ein. Wir starten eine Maschine und nützen den zusätzlichen Strom, um eine Ladung Wäsche in der Waschmaschine zu waschen. Danach bläst es wieder so stark, dass wir wieder unter Segel weiterkommen. Abends kocht Evelyn Zucchini Omelette.

7.12.2022, 0:00UTC, N 13°47′ W 47°15.8′, 1346 nm sind gesegelt, noch etwa 725 nm zum Ziel.
Im Morgengrauen sehen wir einen Frachter auf dem AIS, die „Marvelous ACE“ mit Kurs SO. Der Wind ist okay, am frühen Morgen muss ich reffen, weil wir auf einen Squall zulaufen. Immer wieder wechselt der Wind Geschwindigkeit und Richtung, wenn wir in die Nähe einer solchen Regenwolke kommen. Wieder besucht uns ein Vogel, diesmal ist es eine Seeschwalbe. Vermutlich ist sie in den Regen geraten, und will sich ausruhen.

Nachdem es uns am frühen Nachmittag wieder einmal „gewaschen“ hat, funken wir mit der „BLUE MAGIC“, einer 2-Mast-Ketch, die auf Parallelkurs unter Motor unterwegs ist. Auch wir müssen nach den letzten Böen den Motor anwerfen, weil der Wind plötzlich schwächelt. Die „BLUE MAGIC“ segelt unter britischer Flagge und will nach Bequia. Vielleicht treffen wir sie dort später mal. Der Nachmittag verläuft wechselhaft, sowohl was das Wetter als auch was den Wind betrifft. Also viel Arbeit für die Crew.
Wir machen uns Sorgen um die Trelax. Seit wir am 2.12. per SMS kommuniziert haben, bekommen wir keine Antwort mehr auf unsere Anfragen. Hoffentlich ist nix passiert.

8.12.2022, 0:00UTC, N 13°32.4′ W 48°47.4′. Das Log zeigt 1448 gesegelte nautische Meilen an, bis zum Ziel sind es noch etwas mehr als 600.
Nachdem wir die ersten 2/3 unseres Weges fast nur per Segel unterwegs waren, müssen wir nun doch die Motoren verwenden, um weiterzukommen. Ein riesiges Tiefdruckgebiet vor Florida zieht uns den Passatwind ab. Wir laufen mit Westkurs 270° direkt auf unser Ziel zu und haben gegen 10:00 1500 nm zurückgelegt.
Am frühen Nachmittag können wir für 2 Stunden segeln, der Wind dreht vor der Regenfront etwas zu unseren Gunsten, leider aber später auf Gegenkurs. Wir sehen die „STINNE“ als AIS Signal auf unseren Plottern etwa 10 nm an Backbord.
Habe am SB-Motor die Wasserpumpe neu abgedichtet. Die Originalpapierdichtung war unzureichend. Meine selbst gemachte Dichtung hält. Der Gummimantel des viel verwendeten Druckschalters für die elektrische Winsch zersetzt sich langsam. Ich habe die beiden Schalter getauscht und den zersetzten Gummimantel verstärkt. So nutze ich die viele Zeit, um das Schiff in gutem Zustand zu halten.
Evelyn knackt abends ihren eigenen Sudoko Rekord und ist zufrieden, obwohl ich heute mal ausnahmsweise beim Rumykub besser abgeschnitten habe.

9.12.2022, 0:00UTC, N 13°12.1′ W 50°38′. Zurückgelegte Strecke 1553 nm. Etmal 105 nm.
Unser Dieseltank zeigt 68%. Das sollte auf jeden Fall noch reichen, wenn die Predict Wind Vorhersage stimmt.
Die ganze Nacht regnet es mit kurzen Pausen fast dauernd – ein Squall jagt den nächsten. Kurz vor den Regengüssen frischt der Wind jeweils auf und bläst uns mit teilweise heftigen Böen auf die Nase. Das macht die Fahrt nicht angenehm, weil dadurch auch die Welle gegen uns steht. Starker Gegenwind wirkt sich natürlich auch auf unsere Geschwindigkeit aus, die teilweise auf 3,5 kn sinkt. Da wir vermutlich noch 2 Tage mit Motor unterwegs sind, müssen wir mit dem Sprit haushalten. Da ist ökonomisches Fahren mit optimaler Drehzahl gefordert.
Kurz vor 3:00 lade ich neue Wetterdaten herunter. Wir fahren jetzt laut Empfehlung direkt Richtung Ziel mit 270° nach Westen. Um 10:00UTC, also genau 13 Tage nach unserer Abfahrt stehen 1592 gesegelte nautische Meilen auf unserem Log.
Die Wetterdaten, die wir spät abends herunterladen, wirft unsere Strategie wieder über den Haufen. Wir sollten uns jetzt doch weiter südlich halten, um genügend Wind zum Segeln zu haben – neuer Kurs 230°. Kurz vor Mitternacht laufen wir in eine Schwachwindzone. Die „OCEAN FREE“ ein 24m Segelboot, dass wir schon am AIS erkannt hatten, funkt an, um zu fragen, ob alles OK ist – wahrscheinlich weil wir zurzeit so langsam unterwegs sind. Ich bedanke mich für den Anruf und plaudere dann mit dem Wachhabendenen noch ein wenig über Route und Wetter.

10.12.2022, 0:00UTC, N 13°4.6′ W 52°9.5°. Wir sind bei 1647 nm. Die letzten 24 h waren wir fast nur unter Motor nur langsam unterwegs. So geht es weiter. Kommt ein wenig Wind setzen wir Segel, nur um sie kurze Zeit später wieder einzuholen, wenn der Wind wieder weg ist.

10:00UTC. N 13°02.2′ W 52° 59.7′. Der Catamaran „AURELIA“ der uns eingeholt hat, funkt an. Das Schiff mit deutscher Crew ist eine Fountain Pajot Elba 45, das Nachfolgemodell unseres Bootes. Im Gespräch kommen wir darauf, dass sie einen Vogel derselben Gattung wie wir an Bord haben! Das Erstaunen ist groß. Wir tauschen uns über die Erfahrungen mit Vögeln an Bord aus. Als unsere Boote nur noch ein paar hundert Meter entfernt sind, kommt uns der Reiher von der Aurelia besuchen. Die Beiden scheinen sich zu verstehen. Sie fliegen ab und an ein paar Runden ums Schiff und unser neuer Gast scheint es sich hier schon bequem machen zu wollen, als er sich doch entschließt wieder zur „AURELIA“ zurückzukehren. Und Rüdi folgt ihm! Wir sind einerseits ein wenig traurig, die Gesellschaft zu verlieren, andererseits müssen wir jetzt nicht mehr dauernd hinter dem Vogel aufwischen und darauf achten, dass er nicht in den Innenbereich vordringt. Ein Vogel in der Küche ist aus hygienischen Gründen unerwünscht. 😉
Wir haben zwischenzeitlich den Spinnaker gesetzt, und versuchen den leichten Wind zu nutzen, um weiter nach Süden zu kommen. 2 Stunden hält der Wind, dann geht es unter Motor weiter. Unser Tank ist noch 1/2 voll – wir haben noch genügend Reichweite. Zwischendurch nutzen wir die Flaute für ein Bad – mitten im Atlantik!

Dank leichtem Rückenwind und des nordäquatorialen Stroms, der nach Westen setzt, kommen wir bei geringer Drehzahl mit 6 kn voran.

Abends kochen wir gemeinsam Gnocchi mit Walnuss – Petersilien – Pesto. Die Herstellung des Kartoffelteiges ist eine ziemliche Patzerei, und es dauert ein wenig, bis wir die optimale Konsistenz erreichen. Wir kochen gleich für 2 Mahlzeiten, so rentiert sich die versaute Küche wenigstens. Die Gnocchi sind perfekt und das Pesto mit selbst geschälten Vorarlberger Walnüssen ein Hochgenuss für die Geschmacksnerven. Wir haben früh gespeist und können so noch den Sonnenuntergang auf dem Lounge Deck genießen.

11.12.2022, 0:00UTC, N 12°46.8′ W 54°2.4′. 1762 nm sind gesegelt. Wir sind immer noch unter Motor Richtung Westsüdwest unterwegs, bis gegen 2:00UTC endlich ein wenig Wind einsetzt. Wir setzen unseren Spinnaker. Das Segel steht bei dem schwachen Wind nicht stabil, aber wir kommen ohne Motor mit 3-4 kn voran. So geht es dann den ganzen Tag weiter: langsam, aber ohne Emissionen. Mittags passiert uns die 100 m – Jacht „AV“ an Steuerbord, gegen Abend erkennen wir die „MALO“ als AIS – Signal auf unserem Bildschirm.

12.12.2022, 0:00UTC, N 12°47′ W 55°33.1, 1853 nm zurückgelegt. Die letzten 24 h haben wir nur 91 nm geschafft, aber jetzt haben wir zum Glück wieder etwas mehr Wind. Wir haben immer noch den Spinnaker gesetzt und segeln mit 5-6 kn auf Kurs 280° in Richtung Barbados. Gegen 4:00 dreht der Wind mehr auf NW und wir tauschen den Spi gegen Großsegel und Genua. Der Tanker „ECO STREAM“ passiert uns 10 nm an Steuerbord.
Abends meldet sich die „MALO“, die seit gestern auf Parallelkurs segelt, per Funk und bittet um Wetterinfos. Die Prognosen verheißen genügend Wind bis nach Barbados. Nachdem der Wind wieder mehr aus westlicher Richtung weht, haben wir wieder zum Spinnaker gewechselt uns segeln gemütlich und komfortabel dahin.
Um 10:00UTC haben wir nach 16 Tagen auf See genau 1900 nautische Meilen zurückgelegt. Mittlerweile hat der Wind etwas zugelegt und wir kommen mit 6-8 kn Fahrt gut voran. Um 20:00UTC – das ist hier 17:00 abends – wird der Wind zu stark und wir wechsel wieder zur normalen Besegelung. Bei 14 kn wahrem Wind reicht das immer noch für 6-7 kn Fahrt. Während des Segelmanövers taucht eine Delphinschule mit mindestens 15 Tieren, davon einige Kälber neben dem Boot auf und begleiten uns eine Weile.

Wir speisen abends feudal: Evelyn hat Kalbsragout auf Adventsart mit Zimt-Rotwein-Sauce, Polenta und Sprossenkohl gekocht. Dazu gibt es ausnahmsweise ein Gläschen des Rotweins, der beim Kochen übrig geblieben ist. Ein wunderbarer Sonnenuntergang krönt den erfolgreichen Tag. Mit der Gewissheit, morgen anzukommen, geht es in die wahrscheinlich vorerst letzte Nacht auf See.

13.12.2022, 0:00UTC, N 13°6′ W57°47.9′, 1991 nm geschafft. Auf unserem Plotter bekommen wir ein Signal von der „CARMELAN“. Das Schiff hatten wir schon bei der Ankunft auf den Kapverden überholt – jetzt treffen wir sie auf der anderen Seite des Atlantiks wieder. Wir überholen sie im Laufe der Nacht. Bevor Evelyns Wache beginnt, berge ich das Großsegel. Bei Wind bis zu 18 kn kommen wir auch mit der Genua alleine mit 5-6 kn gut voran, und das Segeln ist unkompliziert. Um 10:00UTC haben wir fast 2050 nautische Meilen seit unserer Abfahrt zurückgelegt, 146 davon in den letzten 24 Stunden – ein Durchschnitt von mehr als 6 kn.
Nach dem Frühstück setzen wir wieder unseren Spinnaker. Die Windverhältnisse sind ideal und wir laufen mit 5-6 kn in Richtung Ziel, dass jetzt schon mit freiem Auge zu sehen ist: LAND IN SICHT!

Leider begrüßt uns Barbados mit grauem Himmel – wir freuen uns trotzdem! Noch 40 nautische Meilen bis zum Ankerplatz und das Wetter wird immer schlechter. Nur noch 22° C und es schüttet wie aus Kübeln. Zwischendurch Windböen mit 30 kn und hohe Welle. An der Ostküste von Barbados tobt die Brandung. Zum Glück wird das Wasser ruhiger, sobald wir um die Nordspitze gebogen sind. Der Westküste entlang geht es bis zur Six Mens Bay vor dem Port St. Charles. Hier gehen wir vor Anker. Evelyn beschwert sich über das Wetter, sie kriegt aber auf dem Vorschiff beim Ankermanöver auch das Meiste ab. Um 21:00UTC bzw. 17:00 lokaler Zeit liegen wir nach 2104 gesegelten nautischen Meilen sicher vor Anker vor der hübschen Kulisse der Port St. Charles Marina. Wir machen ein Selfie im Regen, und gehen danach schwimmen. Das Wasser ist deutlich wärmer als die Luft und entschädigt uns für das schlechte Wetter.

Jetzt, wo wir wieder im Empfangsbereich eines Telefonnetzwerks sind, wird die Familie über unsere sichere Ankunft informiert. Evelyn ist etwas gnädiger mit dem lokalen Wetter, nachdem unser Sohn Max berichtet, dass es in Vorarlberg -5° C und Schneefall hat. 😉

Zuletzt versuchen wir Egon Allgäuer von der Trelax zu erreichen, und sind froh dass er sich meldet – nachdem wir tagelang nichts mehr von den Beiden gehört hatten. Das Iridium hat mitten im Atlantik den Geist aufgegeben. Kein schönes Erlebnis, wenn man darauf vertraut jederzeit jemanden informieren zu können, bzw. die notwendigen Wetterinformationen zu bekommen.

Wir krönen unsere Ankunft mit einem leckeren Mahl und einem Gläschen Wein. Als Desserts gibt es frisch gebackenen Apfelkuchen. Wieder einmal hat die Proviantplanung von Evelyn bestens funktioniert. Wir waren während der ganzen Reise immer mit frischem Obst, Gemüse und Salat versorgt, und haben gesundes, leckeres und frisch zubereitetes Essen genießen können. Was täte ich ohne meine Chefin de Cuisine?

Morgen früh werden wir einklarieren und uns dann ans Reinigen und Überholen des Bootes machen und die Insel erkunden.

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  1. Uwe Karsch says:

    Hallo Roland,
    wieder sehr schön geschrieben. Ich hoffe, wir können euch nächstes Jahr folgen. Jetzt wünschen wir euch erst einmal schöne Weihnachten und alles Gute im beuen Jahr.

    LG Doris und Uwe

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