26. 5. 2023. Vormittags waren wir noch im Rightway Supermarkt ein wenig einkaufen. Mittags ankern wir auf und segeln aus der St. Thomas Bay bei Spanisch Town auf Virgin Gorda. Vorbei an „the Bath“ geht es in die Durchfahrt zwischen „Virgin Gorda“ und „Falling Jerusalem“, wir passieren die „Blinders“ – ein paar Felsen in der Durchfahrt – und steuern aufs offene Meer hinaus.
Auf einem 65° Kurs geht es nach NO, so hart am Wind, der aus SO weht, wie möglich. Unser Ziel – Anguilla liegt östlich. Abends versinken die Virgin Islands im Sonnenuntergang im Meer.
Mühsam wird gegen den Wind aufgekreuzt. Immer wieder halten uns Squalls, die Böen und WInddreher mit sich bringen auf Trab. So geht das bis zum Mittag des kommenden Tages. Die letzten Meilen motoren wir gegen den Wind vorbei an Sandy Island und ankern am frühen Nachmittag endlich in der Road Bay direkt vor dem schönen Sandstrand.
Einklarieren ist easy wie nie: Direkt am Jetty ist die Police Station von Sandy Ground. Immigration und Customs sind in einem Büro. An einem PC darf ich ein Word – Formular mit Bootsnamen und den Daten der Besatzung ausfüllen und 4 x ausdrucken. Dann werden die Pässe gestempelt und das war es. Wenn man nur in der Bucht ankert und nicht in den Gewässern der Insel segelt, fallen keine Kosten an.
Ansonsten kostet das Crusing Permit US$ 56 / Tag oder US$ 279 / Woche – das ist es uns nicht wert. US$ 40 für eine Mooringboje in den BVIs war für uns die Schmerzgrenze. Eigentlich schade – vielleicht sollte sich Anguilla da mal Gedanken machen, ob es nicht für private Segler eine andere Lösung geben kann.
Nachmittags wird das Wetter besser und lädt zum Baden ein. Neben uns ankern im Laufe des Nachmittags ein paar weitere Fountain-Pajots: Eine Elba 45 aus den USA und 3 Charterboote aus Antigua, alles 52 Fuss Sabas.
28. 5. 2023. Nach dem Frühstück stellen wir fest, dass wir nachts einen unerwünschten Gast an Board hatten, der ein paar unliebsame Spuren hinterlassen hat. Wieder mal heißt es Boot putzen.
Danach erholen uns von der anstrengenden Überfahrt, schwimmen und machen nachmittags einen Spaziergang am Strand. Die Vorbereitungen für die Regatta am Dienstag sind schon in vollem Gange.
Wir landen schließlich in der ELVIS Bar. Evelyn versucht sich an der lokalen Variante des Rumpunch mit einem Schuss Amaretto, ich falle auf den Marketing-Schmäh herein und bestelle ein Bier. Das Kleingedruckte lese ich leider zu spät. 😉
29. 5. 2023. Wir haben uns ein Auto gegönnt, um die Insel erkunden zu können. Der kleine Mazda kostet pro Tag US$ 35. In Anguilla muss der Fahrer einen temporären Führerschein erwerben, der US$ 15 kostet. Dafür, dass der Mietwagenanbieter – Andy’s Car Rentals – das Fahrzeug zum gewünschten Ort bringt und wieder abholt, sind nochmals US$ 20 fällig. In Summe kostet uns der Spaß also US$ 70 – immer noch ein vertretbarer Preis. Das Fahrzeug ist gepflegt, hat eine Schaltautomatik und Klimaanlage. Was will man mehr? Für die Entfernungen auf der Insel wären E-Bikes ideal, sind aber auf der Insel leider nicht verfügbar. Öffentliche Verkehrsmittel gibt es keine, Taxis sind relativ teuer.
Die bürokratischen Hürden sind schnell genommen – den „Führerschein“ darf ich mir selbst ausfüllen. Kreditkarteninfos bekanntgeben und schon ist die Sache erledigt. Ich hole Evelyn vom Boot ab, dann geht es los. Unser erstes Ziel ist die „Hauptstadt“, die treffenderweise Village, also Dorf heißt. Viel zu sehen gibt es hier nicht. Das Regierungsgebäude würde in Österreich als Rathaus einer kleineren Gemeinde durchgehen, es gibt ein paar Geschäfte, Banken und Häuser – alles in überschaubarer Größe. Der Flughafen ist für Insel Hopper und Privatflugzeuge gedacht, große Linienflugzeuge können hier nicht landen und starten. Die meisten Gäste reisen per Fähre von Sint Maarten nach „Blowing Point„.
Wir besuchen das Wallblake House und die St. Gerard’s Church, die ersten und damit ältesten Gebäude, die auf der Insel von Siedlern errichtet wurden. Die ursprüngliche von den Wallblake’s gestiftet Kirche ist mittlerweile zu klein geworden und deshalb durch einen stilistisch ähnlichen Neubau ergänzt.
In den Parks erblühen jetzt im Mai Frangipani, Feuerbaum, viele Sträucher und die Mahagonibäume. Letztere verbreiten einen Duft, der den Linden in Österreich ähnlich ist.
Uns fällt auf, dass es auf Anguilla – im Verhältnis zu Jamaica, der Dominikanischen Republik – sehr sauber ist. Die Anguillaner haben erkannt, dass eine vermüllte Landschaft dem Tourismus schadet und deshalb Plastikverpackungen verbannt. Man wird aufgefordert, zum Einkaufen möglichst eine eigene Tasche mitzubringen. Streetfood gibt’s im Pappe Behälter statt in Styrofoam. Ein Lob von uns – hoffentlich macht das Beispiel Schule! Anguilla investiert außerdem in erneuerbare Energie und fördert nachhaltige Architektur und Elektroautos.
Unser nächste Ziel heißt „Fountain Caverne„. Auf dem Weg dahin kommen wir unerwartet an einem Monument vorbei, dessen genauere Bedeutung sich uns verschließt. Vielleicht hat sich hier ein Paar an seinem Lieblingsplatz ein Mausoleum gegönnt? Mir würde die Architektur als Grillplatz oder Terrasse gut gefallen. Auch hier steht ein schöner alter Baum.
Wir fahren so nahe wie möglich an den Ort, den Google Maps als Position für die Fountain Caverne angibt, und erkunden die Gegend. Ein schmaler Trampelpfad führt durch das Dickicht bis zu einem Platz, an dem wir eine vergilbte Infotafel und einen eingezäunten Bereich finden. Hier führt eine wackelige Leiter 7 m in die Tiefe, die Höhle ist aber mit Gittern abgesperrt und damit unzugänglich. Schade. Dass es Interesse gibt, zeigen die Gravuren auf den Blättern der Büsche, die Besucher hinterlassen haben.
Das Tor ist offen. Die Höhle, die den Tainos – indiansiche Siedler aus Südamerika – als Quelle und rituelle Stätte gedient hat, aber verschlossen. Wir finden einen zweiten Zugang, der zu einer leerstehenden Hütte führt, die vermutlich mal als Besuchereingang gedacht war. Hier gibt es Hinweise auf eine Riesenratte, die vor mehr als 20.000 Jahren hier gelebt, und bis zu 200 kg schwer geworden sein soll.
Das Timing für den Besuch Anguillas ist perfekt. Der Pfingstmontag fällt mit dem Datum des jährlich stattfindenden Welches Festivals zusammen, morgen findet die „Rock the boat“ – Regatta statt. Wir sind unterwegs nach Welches Hills. Am Ortseingang gibt es einen großen Parkplatz, der schon ziemlich voll ist. Gleich nebenan auf einem großen Platz findet das Zeltfest statt. Aus vielen umliegenden Karibikinseln kommen Wirte, die regionales Streetfood und Spezialität anbieten. Wir sehen Zelte aus St. Vincent & the Grenadines, Jamaica, St. Kitts & Nevis usw. Auf der Bühne spielt eine coole Reggae-Band.
Die Stimmung ist gut – alkoholisierte Menschen wie bei einem Zeltfest in Europa sehen wir nicht – es ist aber auch noch früher Nachmittag. Wir probieren Black Pudding, in Bananenblatt gebackenes Süßkartoffel-Bananen-Püree, Reis mit Gemüse und Hähnchen und lokale Desserts. Dazu gibt es ein einskaltes Hairoun Bier und Rumpunch von St. Vincent für Evelyn.
Am späteren Nachmittag fahren wir an die Südostecke der Insel zur Rendevouz Bay. Ein Tipp im Reiseführer von Anguilla hat uns hierhergeführt: Bankie Banx Dune Preserve. Der Reggea Sänger – auch bekannt als Bob Dylan Anguilla’s – hat hier eine Eventlocation geschaffen, die ihresgleichen sucht. Aus Schwemmholz und recyceltem Material ist hier ein magischer Ort entstanden, der die karibischen Vibes so richtig zum schwingen bringt – besonders dann, wenn es Live Musik gibt.
Die 3 – 4 mal wöchentlich stattfindenden Acts werden oftmals vom Hausherrn persönlich unterstützt. Wir haben im Schatten der Veranda einen Rumpunsch genossen und uns von der Stimmung und der Aussicht inspirieren lassen. Verabschiedet hat uns der Musiker sogar persönlich.
30. 5. 2023. Heute ist es soweit. Das Bootsrennen findet statt. Schon seit 2 oder 3 Tagen beobachten wir die Teams bei der Vorbereitung ihrer Segelboote. Das Design der klassischen Holzboote ist seit Jahrzehnten unverändert. Ein bauchiger Rumpf mit langem Kiel der durch das Verlagern der Mannschaft die aus 12 – 13 Personen besteht getrimmt wird. Das Ruder wird über eine lange Pinne, die Segel ohne Winschen bedient. Die Segelfläche ist groß, das Hauptsegel ist an einem hohen Mast und einem fast 10 m langen Baum angeschlagen. Ein kleines Vorsegel komplettiert die Segelgarderobe. Bei der Regatta selbst geht es ums Dabeisein. Die Party danach ist mindestens so wichtig, wie der sportliche Wettkampf. Mit einer Crew von einem Dutzend oder mehr Personen ist der Teamspirit entscheidend für das Ergebnis. Alle sind mit Begeisterung dabei, nicht nur die segelnde Crew, auch die Personen die das Boot und die Mannschaft vor und nach dem Rennen betreuen und natürlich auch die Zuseher auf den vielen Booten und an Land. Ein tolles Event! Wir liegen mitten in der Road Bay vor Anker und erleben den Start und Zieleinlauf hautnah mit. Dabei nehmen uns manche Rennteilnehmer als Wendeboje und segeln nur Zentimeter an der ARIES vorbei.
Kurz nach dem Start wird es dramatisch: Eines der Boote hat Probleme bei einem Wendemanöver und kentert bei starkem Seitenwind. Es dauert keine Minute bis das Boot auf Grund geht. Zum Glück sind alle Segler mit Schwimmwesten ausgerüstet. Die SAR von Anguilla und viele Boote in der Nähe eilen zu Hilfe, um die im Wasser treibende Crew aufzunehmen. Niemand wir verletzt. Etwas geknickt schauen die Segler aber schon, als sie in den Booten an uns vorbei zum Ufer fahren.
Die anderen Teilnehmer sind kurz darauf schon bei Sandy Island angelangt und segeln weiter nach Norden um die Insel herum. Die Umrundung der Insel dauert etwas mehr als 5 Stunden.
Gewonnen hat, wer zuerst am Ufer in Sandy Ground ankommt. Gekämpft wird bis zum Schluss.
Beim Zieleinlauf sind wir schon fast vom Duft, der von den vorbeifahrenden Begleitbooten herüberweht, high geworden. Manche Motorbootfahrer übertreiben es, und wollen sich mit ihren über motorisierten Rennbooten in Scene setzen – obwohl es ja um eine Segelregatta geht. Es gibt aber auch löbliche Ausnahmen, wie die Crew der „It’s summer again“, die sich sehr aktiv an der Rettung der Schiffbrüchigen beteiligt hat.
Die Preisverleihung und die Afterparty dauern dann noch bis lange in die Nacht. So eine Massenveranstaltung ist nicht mehr unseres – Evelyn hat leckere Spaghetti alle Vongole gekocht, ein trockener Chardonnay aus Sizilien rundet den Abend ab.
Wir sind am Nachmittag noch zum versunkenen Boot geschnorchelt. Es scheint keinen großen Schaden genommen zu haben und liegt nur in wenigen Metern Tiefe. Mit eine paar Hebeballons bringt man das sicher wieder flott.
31. 5. 2023. Heute wird das gesunkene Boot geborgen. Taucher montieren Segel und Mast ab, dann ist es scheinbar einfach, das leere Boot an die Oberfläche zu ziehen und auszuschöpfen. Nach 2 Stunden geht’s an Land.
Nachmittags bringt uns das Dinghy an Land. Im Office der Customs und Immigration ist das Ausklarieren in 5 Minuten erledigt und genau so kostenlos wie das Einklarieren. So freut uns das!
Per Scooter geht es zum Westend der Insel. Wie überall in der Karibik gibt es auch hier verlassene Ferienhäuser und Hotels. Opfer der Rezession, von Wirbelstürmen oder solche die einfach aufgegeben wurden, weil sie unrentabel waren. Der morbide Flair solcher verlassener Gebäude hatte schon immer einen Reiz auf uns – wer kann da widerstehen, einen Blick rein zu werfen.
Der eindrucksvollen Felsenbogen, den die Wellen aus dem porösen Felsen der Uferklippen erodiert haben, ist einen Besuch wert. Daneben gibt es noch eine nette Bucht zum Schwimmen. Trotz einer Treppe, muss man klettern um ins Wasser zu kommen – es loht sich. In der Nähe gibt es noch ein paar nette Villen und Ressorts zu besichtigen.
Anguilla ist in vielerlei Hinsicht die etwas andere Karibik. Sauberer, entspannter, weniger „amerikanisch“ und weniger überlaufen wie z.B. Sint Maarten oder die BVIs. Uns hat es hier gut gefallen. Wenn die hohen Cruising Permits nicht wären, auch ein Seglerparadies. So vergeben wir 4 von 5 *.
Morgen geht es nach Saint Martin – hoffentlich verkraften wir das. 😉